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Der anläßlich des Auftrittes der Band beim
"Associacoa Mare Cultural de Acores"
gedrehte Film
SantaMariaBannerwurde im Bremer "Kino 46" am 19.12.2001 gezeigt. Es war eine rauschende Premierenfeier gefolgt von einer netten Session im "Foyer/Restaurant" des Kinos. Dabei konnte man endlich auch in Bremen wieder Irish Music mit Tuba erleben. Klasse! Besten Dank an die Butenbremer!
Der Film ist übrigends als Video und  als DVD erhältlich!

 

Das Azoren-Tagebuch

von Willie Burger

 

Die Azoren liegen mitten im Atlantik, zwischen Lissabon und New York. Dass dort seit 17 Jahren ein internationales Musikfestival stattfindet, bei dem zum Teil hochkarätige Gruppen aus Afrika, Brasilien, USA, Canada und Europa spielen, weiß kaum jemand. Dass auf einer der kleinsten Inseln mit Namen Santa Maria, auf der gerade mal 5.000 Menschen leben, sich zu Festival-Zeiten mehr als doppelt so viele junge Leute aufhalten, ist ein weiteres erstaunliches Phänomen. Und dass ausgerechnet die "Josie White Revival Band" dort ein Engagement bekommt, grenzt schon an ein kleines Wunder. Oder besser: eine wunderbare Verkettung von Zufällen, die das Leben so selten knüpft.

Und so stellt sich eine neugierige und gleichermaßen naheliegende Frage: Wie sind wir eigentlich auf die Azoren gelangt ?

Nun, die Geschichte kann in ungefähr fünf Minuten erzählt werden, und ich habe sie in einem selbst geschriebenen Lied besungen:

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SANTA MARIA (Text und Musik: Willie Burger)

1) I woke up one morning in the month of November
and heard a man's voice on the phone.
He said: Do you still remember us playing
in a pub about three years ago ?
I answered, I'd surely remember him coming
to our concert in the sweet month of June.
We were jiggin' and reelin', we were jokin' and dancin'
and the evening was full of our songs.

Chorus:
Now we singing this song on Santa Maria,
linda ilha dos Acores. (beautiful island of the Acores)
Singing around with wonderful people,
a heartbeat that's moving along.

2) The man brought with him a mighty old tuba,
which even was bigger than him.
We invited him playing some tunes & some ballads,
while the concert had reached up a height.
He blowed and he tortured it's deep roaring belly,
but masterd the tunes that we'd played.
His cheeks like balloons, his eyes like two mellons,
as he started to play right away...

(Chorus)

3) I asked: What's your name, brass-blowing- wonder ?
He smiled, as he answered to me:
You can call me Joao, the man with the tuba,
the rest cannot ever pronounced !
We were jammin' along for the rest of the evening,
far beyond of the "Shamrock's Green Shore".
At the end of the evening, when the guests were all gone,
it was only us playing along ...

(Chorus)

4) Talking along and remembering the past
the music was still in our ears.
The phone-call seemed not come to an end,
but at last we'd agreed with a deal.
I'd moved, said Joao, for 3000 miles
to the beautiful islands Acores
and I'd like to invite you, meet the people around here,
who are longing to hear all your songs ..

Chorus: (3 times)
Now we singing this song on Santa Maria,
linda ilha dos Acores. (beautiful island of the Acores)
Singing around with wonderful people,
a heartbeat that's moving along.

Der Mann mit der Tuba Johannes Resseguierheißt Johannes Resseguier, ist Butenbremer und vor ungefähr drei Jahren nach Santa Maria ausgewandert. Er lebt dort als "selbstversorgender Kleinstunternehmer", wie er schmunzelnd bemerkt, und hat ziemlich schnell zu anderen lokalen Musikern und den Organisatoren des Festivals "Mare Agosto" Kontakt bekommen. Dann hat er sich an unser Konzert im "Dubliner", einer irischen Kneipe in Bremen, erinnert und bei den Organisatoren nachgefragt, ob sie Interesse an einer deutschen Band mit irischer Musik hätten. Die sagten, dass sie immer Interesse an unbekannten, guten Gruppen hätten und dass sie gerne etwas von der "Josie White Revival Band" hören möchten. Johannes hatte mich daraufhin im November 2000 ganz aufgeregt angerufen und mich gebeten, möglichst schnell unsere CD und einiges Informationsmaterial nach Santa Maria zu schicken, was ich dann auch tat. Schließlich hatten wir ja nichts zu verlieren !

Es dauerte dann noch ungefähr zwei Monate, bis wir von Johannes erfuhren, dass man bereits unsere CD im Radio der Azoren spielen würde. Ein gutes Zeichen, wie er meinte. Danach dauerte es noch einen weiteren Monat, bis wir die Entscheidung gefallen war: Aus einer Fülle von annähernd 100 internationalen Musikgruppen waren schließlich 9 Bands ausgewählt worden, und wir waren dabei !

Im Februar erhielt ich einen Anruf von Max Brix Elisabeth, dem haupt verantwortlichen Organisator des Festivals, dass er sich freuen würde, wenn wir kommen würden. Wir sollten so schnell wie möglich die Namen der Musiker bekannt geben, damit man Flugtickets besorgen könne.
Das FAX ging noch am gleichen Abend raus, doch die Tickets kamen erst fünf Tage vor unserem Abflug am 12. August - also ein halbes Jahr später ! Was in der Zwischenzeit hin und her geschah, will ich hier nicht weiter ausführen. Jedenfalls war alles ziemlich aufregend. Das Motto der Organisatoren: "Don't worry, we'll organize ! (but may be later) feierte von Woche zu Woche fröhliche Urständ ...

Wir hatten entschieden, schon einige Tage vor unserem Konzert nach Santa Maria zu fliegen, nicht nur um vorher das ein oder andere Mal zu proben, sondern auch, um die Insel ein wenig kennen zu lernen.
Mein Freund und Kameramann Uli Scholz Uli & Fabianhatte sich spontan entschlossen, sein professionelles Film-Equipment auf eigene Kosten mitzunehmen und einen Kamera-Assistenten zu engagieren, um unsere Reise zu dokumentieren. Kurz vor der Reise wurde er vom Chefredakteur von Buten und Binnen, dem Bremer Lokalsender, beauftragt, einen 4-Minuten-Bericht über das Abenteuer zu produzieren, womit zumindest die Flugkosten gedeckt waren.

Aus Irland wollten Tina McLoughlinTinaMcLoughlinund
ihr Freund Leo Rickard, Leo Rickardder begnadete Uillean
PiperLeo probend aus Howth, County Dublin, dazu kommen.
Mein Bruder MichaelMichael Burger aus Köln sollte uns mit seinem Fretless Bass verstärken. Bis kurz vor dem Abflugtermin war nicht klar, ob die beiden Iren mitkommen würden, denn Leo hatte zwei Wochen zuvor noch eine heftige Operation am Bein über sich ergehen lassen müssen. Erst drei Tage vor dem Abflug entschied er sich, Tina bei ihrer Reise auf die Azoren zu begleiten - auf Krücken !

Schließlich kam der große Tag der Abreise und der erste Tag des größten Abenteuers der "Josie White Revival Band".

Und so beginnt es ...

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Sonntag, 12. August 2001

7.08 Uhr: Wir haben uns am Bremer HBf getroffen, eine Unmenge Equipment dabei: Instrumente, Kameras, Stative, Reisekoffer, Zubehör, etc. Alle sind noch ziemlich müde. Die Erwartungen sind hoch, leise Aufregung spürbar. Bernd zappelt herum, er ist noch nie mit dem Flugzeug geflogen. Thomas verbreitet Gelassenheit und Ruhe. Er ist der am weitesten Gereiste von allen. Uli lässt seinen Assistenten Fabian Teichmann das Equipment zusammenstellen. Dann kommt der InterRegio nach Hannover. Wir steigen ein. Uli macht seinen ersten shot.

8.15 Uhr: Wir erreichen Hannover-Hauptbahnhof. Auf dem Weg zwischen Bremen und Hannover war die Stimmung ziemlich locker. Wir haben überteuerten Kaffee getrunken und über die chaotische Situation gewitzelt. Es ist gut, mit so vielen netten Menschen unterwegs zu sein, die sich beim Ein- und Ausladen gegenseitig helfen. Elisabeth, Thomas' Frau, hat die Verantwortung für meine Mandoline übernommen. Marie Vogelei trägt mein Bodhràn, das sie auch beim Konzert spielen soll. In einer halben Stunde soll es in Richtung Frankfurt-Flughafen weitergehen.

11.45 Uhr: Wir sind am Terminal 2 des Frankfurter Flughafens angekommen, wo wir genügend Zeit haben, um einzuchecken. Mein Bruder Michael, den alle nur kurz "Mo" nennen, kommt gegen 13 Uhr aus Köln hier an, und ich werde ihn vom Bahnsteig gemeinsam mit Uli abholen. Nach der Security-Überprüfung wird unser Gepäck reibungslos eingecheckt, direkt nach Santa Maria, dem Ziel unserer heutigen Reise. Danach gehen wir ins Flughafen-Restaurant, wo wir gerade noch einen der letzten freien Tische ergattern. Dort warten wir.

13.30 Uhr: Mo ist mit einer Viertelstunde Verspätung angekommen und hat selbst gebackene Blueberry-Muffins für alle mitgebracht. Der Flug wird aller Voraussicht nach mit einigen Minuten Verspätung abgehen, und wir können uns reichlich Zeit lassen, um unser Handgepäck inklusive der Instrumente zum Abflug-Gate im Terminal 1 zu schaffen.

15.30 Uhr: Wir sitzen im Airbus der portugiesischen Airline SATA und warten auf die Startfreigabe. Bernd ist aufgeregt, Mo ebenfalls. Ich bin seltsamerweise ziemlich ruhig, obwohl ich vorher ziemlich hektisch war, weil ich mir irgendwie die "Reiseleitung" auferlegt hatte. Doch jetzt habe ich die Verantwortung an den Flugkapitän abgegeben und es mir in meinem Sitz bequem gemacht.

17.30 Uhr: Wir haben zwei Stunden gegenüber der mitteleuropäischen Sommerzeit "eingespart" und sind nach vier Stunden Flugzeit auf dem Flughafen von Ponta Delgada auf der azorianischen Hauptinsel Sao Miguel gelandet. Alles lief bestens, selbst Bernd hat den Flug genießen können. In ca. 45 Minuten soll es nach Santa Maria weitergehen. Wir haben nicht viel Zeit. Die Luft in Ponta Delgada ist feuchtwarm und alle sind guter Dinge.

18.30 Uhr: Mit ungefähr 20 Minuten Verspätung ist die Propellermaschine in Richtung Santa Maria abgehoben. Wir durchfliegen eine dichte Wolkenschicht, zwischen der die Abendsonne hin und wieder durchbricht und ein goldenes Glänzen über dem Atlantik entstehen lässt. In mir ist eine große Freude und ich bin gespannt, was uns am Ziel der Reise erwartet.

19.15 Uhr: Wir sind in Santa Maria ! JWRB in Santa Maria!Nachdem wir unser Gepäck abgeholt haben, schieben wir die vollbeladenen Rollwagen Richtung Ausgang. Johannes erwartet uns mit Tina und Leo, die bereits vor einigen Stunden auf Santa Maria angekommen sind. Einige Azorianos sind auch am Gate und Johannes, den hier alle "Joao" nennen, freut sich wie ein Schneekönig. Nach der Begrüßungsorgie werden Autos organisiert, die uns zu den beiden Häusern bringen sollen, wo wir untergebracht werden. Alles wirkt ein bißchen improvisiert, doch die Herzlichkeit der Begrüßung und die Freundlichkeit, mit der wir empfangen wurden, überwiegt das Organisationschaos. Alle sind müde und freuen sich auf eine kalte Dusche.

21.15 Uhr: Wir essen eingepackte Sandwiches in einem Restaurant in der Nähe des Ortskerns von Vila do Porto. Der Koch hat schon Feierabend und es gibt erst morgen warmes Essen, dafür schon zur Mittagszeit. Oder später. Wir gewöhnen uns nur ganz langsam an die neue Zeit, die hier auf den Azoren nicht nur zwei Stunden später als bei uns eintrifft, sondern auch in sich - was den Tagesrhythmus angeht - verschieden läuft. Alles findet irgendwann statt, wenn auch manchmal erst später ! Wir probieren den frischen Vinho Verde und sind froh, dass alles gut gegangen ist, und wir hier gut angekommen sind.

Johannes ist total aufgeregt. Er kann es gar nicht fassen, dass wir hier sind und dass seine Vision tatsächlich Wirklichkeit geworden ist. Immer wieder sagt er, dass er bezüglich des Festival-Auftritts unheimliches Knieflattern hat, so als würde er sich für einem möglichen Blackout in nächster Zukunft bereits jetzt die Absolution abholen wollen. Ich versuche, ihn so weit wie möglich zu beruhigen und ihm das Gefühl zu geben, dass alles ein Prozess ist, der ja erst noch zustande kommen wird. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Gedanken nicht so richtig zu ihm durchdringen.

0.45 Uhr: Wir sind mit einem Taxi nach Graca Almagreia gefahren und vollkommen platt ins improvisierte Bett gefallen. Ich schlafe auf einer Matraze unterm Fenster, Mo hat es sich auf einem Ledersofa "bequem" gemacht und Tina und Leo sind im Doppelbett im Nebenzimmer untergebracht worden. Johannes hat das Haus Joao's Landhaus
für uns geräumt und hat sich von einem anderen Taxi in sein altes Haus in Sao Espirit auf der anderen Seite der Insel bringen lassen. Er will uns morgen Nachmittag zu einem ersten "rehersal" treffen. Die übrigen sechs - Thomas, Elisabeth, Marie, Bernd, Uli und Fabian - sind in einem Appartment-Haus, ungefähr sechs Kilometer von uns entfernt, untergebracht worden. Jürgen Schöffel, unser Keyboarder, kann erst am Mittwoch von Bremen aus losfahren, da er nur wenige Urlaubstage hat.

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Montag, 13. August 2001

11.45 Uhr: Wir haben ausgiebig gefrühstückt. Johannes hat seinen Kühlschrank mit Käse, Wurst und Milch gefüllt, Brot war auch noch da und wir haben Tee und Kaffe gekocht. Leider funktioniert der Warmwasserboiler im Bad nicht, so dass wir kalt duschen müssen, was jedoch angesichts der schwülwarmen Temperaturen eine wahre Wohltat ist, wenn man den Kälteschock erst mal überwunden hat. Es geht mir gut. Ich bin froh, hier zu sein und freue mich auf den ersten Übungstermin, bei dem wir auch das Programm für unseren Auftritt beim Festival entscheiden wollen. Johannes hat uns einen Fahrer organisiert, einen jungen netten Inselbewohner namens Gualter, der sich in den nächsten Tagen als wahrer Engel herausstellen wird. Mit ihm fahren wir zunächst zum Appartment-Haus, wo wir die anderen beim Frühstück antreffen.

13:30 Uhr: Wir gehen im Restaurant essen, wo es am Vorabend die trockenen Sandwiches gab. Der Wirt hat eine Art Azoren-Stew gekocht, mit Kartoffeln und - wenn man will - einem gemischten Salat, der überwiegend aus Möhren besteht. Das Ganze schmeckt ziemlich hausbacken, aber man kann es gut essen. Wir trinken das portugiesische Cerveja "Sagres" dazu und dümpeln vollgefresssen in den schwülwarmen Nachmittag hinein.

15:30 Uhr: Alle sind im Appartment-Haus eingetroffen. Leo probiert seinen neuen Chanter aus, einen "Original-Leo-Rowsome-Chanter", den er für 2000 irische Pfund erworben hat und hinter dem er 13 Jahre her war. Er ist mächtig stolz darauf, das Ding jetzt spielen zu können und fürchtet nur um seinen Ton, wegen der Feuchtigkeit und der Hitze, wie er sagt.
Wir beginnen mit dem Herumdaddeln, versuchen erst mal die Instrumente zu stimmen und den Bass von Mo sowie meine Mandoline an die kleinen mitgebrachten Aktivboxen anzuschließen, damit sie im Vergleich zu den anderen Instrumenten hörbar sind.
Jigs und Reels, die Polkas und ein paar Balladen sind schnell angespielt. Wir versuchen, erst mal den "groove" zu bekommen, was bei einer so großen Gruppe mit unterschiedlichen Mentalitäten nicht so ganz einfach ist. Anfänglich hört sich das Ganze noch recht holprig an, und die Instrumentals klingen wie in einer irischen Session, die sich gerade formiert. Wir verzichten auf die Festlegung des Programms und beschließen erst einmal, "Josie's ghost" in uns zu spüren, jenen geheimnisvollen Groove, den der Geist des seligen James Josie McHugh über uns bringt. Doch der lässt dieses Mal ziemlich lange auf sich warten. Zwischen der Tuba von Johannes und dem Bass von Mo eingezwängt, komme ich recht schnell zu dem Schluss, dass beide "Bässe" nicht so gut zusammen gehen, und ich denke schon darüber nach, wie sich dieses Problem lösen läßt, ohne dass dabei Tränen fließen.

20.00 Uhr: Wir sind des Übens müde geworden und beschließen, essen zu gehen. Johannes hat mit dem Wirt des Restaurants offensichtlich besprochen, dass es zwei Mahlzeiten am Tag geben soll, was wir jedoch für übertrieben halten. Ich esse überbackenen Stockfisch und salzige rote Paprika, eine Spezialität der Insel. Wir bestellen mehrere Flaschen kühlen Vinho Verde und der Abend klingt aus wie er begann: verschwitzt und völlig kaputt. Wir merken nicht, wie sich unser Zeitrhythmus allmählich in Richtung sechs Stunden "timelag" verschiebt, weil das Nachtleben hier viel später einsetzt als in Bremen.

1:15 Uhr: Tina und Leo sind schon zwei Stunden zuvor mit einem Taxi in das Haus von Johannes in Graca Almagreira gefahren. Mo, Johannes und ich nehmen ein anderes Taxi und fallen todmüde auf unsere verknitterten Nachtlager.

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Dienstag, 14. August 2001

11 Uhr: Wir haben uns ein relativ üppiges Frühstück bereitet und hartgekochte Eier verspeist. Gualter ist schon vor einer halben Stunde mit seinem Wagen vorgefahren und wartet darauf, dass wir fertig werden, um mit ihm zum Appartment-Haus fahren, wo unser zweites "rehersal" stattfinden soll. Ich spüre eine gewisse Unruhe im Magen, weil ich mir Sorgen darüber mache, ob das mit der großen Gruppe so funktioniert, wie ich es gehofft habe.
Uli und Fabian werden mit Gualter auf eine Insel-Rundreise fahren, um "footage" für den Buten-und-Binnen-Viereinhalb-Minüter zu drehen, der im Laufe der kommenden Woche gesendet werden soll.

Das zweite "rehersal" grooved schon besser, doch es wird mir immer klarer, dass es mit Tuba und Bass gleichzeitig nicht so richtig funktioniert. Am Ende der Probe nehme ich Johannes zur Seite und schenke ihm "reinen Wein" ein: Er wird nur bei den letzten fünf Stücken mitspielen, so wie auch dazumal in Bremen, als wir uns kennen lernten. Im Gegensatz zu meinen Befürchtungen löst die Entscheidung bei ihm den Knoten. Er ist keinesfalls enttäuscht, sondern wirkt eher erleichtert, weil jemand eine schwere Bürde von seinen Schultern nahm, die er sich selbst im Laufe der Monate auferlegt hatte. Auch Mo ist jetzt etwas ruhiger und sein sonst so strenger "Jaco-Pastorius-Blick" wirkt ein wenig milder.

Um sechs Uhr am Abend bin ich mit Johannes beim lokalen Radiosender zu Gast, ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Das Interview dauert ungefähr anderthalb Stunden und wir haben ausgiebig Zeit, die Geschichte der Band und unsere Eindrücke von Santa Maria übe den Äther zu schicken - welch wohltuender Gegensatz zum "fast-food"-Geschwätze deutscher Radiosender !

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Mittwoch, 15. August 2001

Wir haben beschlossen, einen "Off-Day" zu machen und entschließen uns, eine Insel-Rundfahrt mit finalem "Plutschern" (oberbergisch für "ein Vollbad nehmen") an einem der Strände von Santa Maria zu unternehmen.
Wir bilden zwei Gruppen, die nacheinander von Gualter mit dem Auto befördert werden. Die erste Gruppe, zu der auch ich gehöre, will sofort ans Meer und besteht aus Marie, Bernd und Fabian, dem Uli einen freien Tag gegeben hat, während er selbst auf der Terasse des Appartments bleibt, um am script für den Buten-und-Binnen-Beitrag zu arbeiten. Mo, Johannes, Thomas und Elisabeth wollen nicht sofort zum Strand, sondern erst mal eine Insel-Rundfahrt machen.

Wir fahren los, zunächst in eine Bucht, zu der Tina und Leo sich schon kurz zuvor haben hinbringen lassen. Als wir den Ort erreichen, erzählt uns Gualter, dass an diesem Strand im Jahre 1492 Christoph Columbus auf seiner Rückfahrt von Amerika anlanden wollte. Doch die Inselbewohner hielten ihn anfänglich für einen Piraten und ließen sich erst allmählich von seinen ehrlichen Absichten überzeugen. Heute steht ein überdimensionales Denkmal von Columbus in der Nähe des Strandes, der zu einem betonierten Pool ausgebaut wurde, so dass auch kleine Kinder gefahrlos im Wasser dümpeln können.
Uns gefällt diese Architektur jedoch nicht so gut und so entschließen wir uns, weiter zu fahren, in die Bucht von Sao Lorenco. Unterwegs überqueren wir die Hügel des Pico, durchfahren eine Art von subtropischem Dschungel und kommen schließlich in eine von welligen Hügeln durchwachsene Landschaft.
Eine Viertelstunde Stunde später erreichen wir einen Aussichtspunkt, von dem aus wir einen herrlichen Blick auf die Bucht haben. Gualter zeigt mir einen Felsen, der steil aus dem Meer aufragt und erzählt voller Stolz, dass er volr einem Jahr dorthin geschwommen ist und mit seinem T-Shirt die Spitze des Felsens beflaggt hat. Durch das Zoom meiner Mini-DV-Videokamera kann ich das T-Shirt im Wind flattern sehen.
Es weht ein leichter Wind und es ist relativ trocken. Nur wenige Wolken ziehen über den Horizont, und die Sonne lädt ein zu einem lustvollen Ruhetag am Strand. Gualter fährt zurück, um die andere Gruppe über die Insel zu fahren.
Sao Lorenzo ist ein richtiges kleines Paradies ! Wir sitzen in einem Restaurant, trinken Wasser und Cerveja und genießen den Ausblick. Später tollen wir im Sand, "plutschern" und bodysurfen in den Wellen und spielen mein Lieblingsspiel, Beach-Boccia mit flachen Steinen.

Gegen sechs Uhr kommen die Anderen schließlich in Sao Lorenco an. Wir haben gerade unser Essen beendet und fahren wir wenige Minuten später zurück in Richtung Vila do Porto.
Schon nach einigen Kilometern hören wir ein schabendes Geräusch, das offensichtlich von einem der Reifen ausgeht. Wir halten an und Gualter untersucht alle Reifen, kann jedoch nichts finden. Mehrere Fahrzeuge halten. Die Fahrer und Beifahrer steigen aus, wollen helfen. Als sie nichts feststellen können, entschließt sich Gualter, weiter zu fahren und biegt nach ungefähr fünf Kilometern in eine Dorfstraße ein, wo ein guter Freund von ihm wohnt, der sich mit Autos auskennt, wie er sagt.
Dort wird erst mal der Reifen gewechselt. Das dauert seine Zeit. Wir kommen etwa zwei Stunden später als beabsichtigt in Vila do Porto an. Gualter holt Tina und Leo aus der anderen Bucht ab und macht sich dann auf den Weg nach Sao Lorenco, um Elisabeth, Thomas, Johannes und Mo abzuholen.
Um neun Uhr am Abend treffen schließlich alle am Haus an, wo unser nächstes Rehersal stattfinden soll.

An diesem Abend läuft alles wie geschmiert. Die Stücke grooven, die Arrangement klappen gut. Tina vergißt zwar vor lauter Verträumtheit einige Einsätze, aber das macht nichts. Beim "Caribean Set", bei dem sie auf dem Button-Accordeon spielt, suchen wir einige Minuten nach dem richtigen "groove" und Thomas bietet schließlich an, mit dem Bodhrán für den richtigen "beat" zu sorgen. Das bringt den entscheidenden Kick, und für den Rest des Abends sitzt der Geist des alten Josie McHugh bei uns und strahlt über alle vier Backen !

Nach der Probe überredet Uli uns, mit ihm in die Stadt zu gehen, wo eine große Fiesta stafffindet und wo er noch einige Nachtaufnahmen mit uns drehen will, stimmungsvolle Bilder, wie er meint.
Auf dem Marktplatz scheint das ganze Dorf versammelt zu sein. Die Gruppe "Ronda di Madrugada", wie ich finde die "Pogues der Azoren", beginnt um Mitternacht mit einem Konzert und testet die Musikanlage für das Festival "Mare Agosto" aus. Bei "Ilheu", dem auf den Azoren bekannten Hit der Gruppe, singen Mo und ich gemeinsam beim Refrain mit und bei einigen fetzigen Stücken geben wir uns die Polka zum Tanze. Wir trinken viel kühles Cerveja und lernen die Musiker der Azoren-Band kennen, vor allem die beiden Brüder Sergio & RobertoRoberto und Sergio Freijtas, zwei wirklich nette Jungs. Wir treffen Max Brix Elisabeth, Rui Batista, einen der anderen Festival-Organisatoren, den Sprecher der Radiostation und einige andere bekannte Gesichter. Später in der Nacht nehmen wir das Taxis zurück nach Graca Almagreira.

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Donnerstag, 16. August 2001

Am Nachmittag haben wir ein Treffen mit Max Brix Elisabeth in seinem Foto-Laden arrangiert, wo wir verabreden, wie der Konzertabend ablaufen soll. Es ist geplant, dass wir als dritte Gruppe spielen sollen, eine Vorstellung, die uns einige Bauchschmerzen bereitet. Dies würde nämlich bedeuten, dass wir ungefähr um drei Uhr morgens beginnen müssten. Keiner von uns will so "spät" spielen, vor allem weil auch Tina und Leo gesundheitlich nicht besonders fit sind. Und im Anschluss an zwei afrikanische Musikgruppen mit teilweise meditativen keltischen Klängen ein aufgeheiztes Publikum zu bedienen, macht auch nicht gerade viel Mut. Ich erkläre Max, dass unser Programm so aufgebaut ist, dass wir zunächst einige Balladen spielen und später dann die sogenannten "Kracher", und dass es für die Dramaturgie des Abends viel besser wäre, wenn wir beginnen würden und die Afrikaner später spielten. Max überlegt einen kurzen Moment und stimmt dann zu. Man würde die Reihenfolge verändern, und wir sollten dann morgen gegen halb sechs Uhr nachmittags zum Soundcheck kommen. Einigermaßen beruhigt schlendern wir noch ein bißchen durch den Ort, später am Nachmittag kommt Jürgen Schöffel am Flughafen an. Er hat sich gestern per handy gemeldet, dass er in Ponta Delgada auf der Nachbarinsel Soa Miguel angekommen ist. Gualter und Elisabeth wollen ihn heute vom Airport abholen.
Am späteren Abend soll es eine Session mit den Musikern von "Ronda di Magrugada" in einem Restuarant, der "Padereira Veija" geben.

Jürgen ist glücklich gelandet und guter Dinge. Alles habe gut geklappt und er freut sich, uns zu treffen. Einige machen einen Spaziergang zur "Padereira Veija", die anderen lassen sich von Gualter dorthin fahren. Als wir die Gaststätte erreichen, ist dort schon eine PA aufgebaut und wir frohlocken. Die haben ja an alles gedacht, denken wir. Leider verdacht, denn die junge Frau hinterm Thresen zeigt auf ein Plakat, aus dem hervorgeht, dass am Abend eine andere Musikgruppe spielen wird. Wir sind einigermaßen verwirrt. Johannes flippt fast aus, denn er hatte sich gerade auf diesen Abend und das erste Treffen mit den Musikern von "Ronda" so gefreut. Und jetzt dieses Malheur! Er versucht, den Inhaber der "Padereira" zur Rede zu stellen. Dieser entschuldigt sich für den Irrtum und lädt uns erst mal zum Essen ein. Roberto Freijtas, der Sänger und Gitarrist von "Ronda" ist auch schon angekommen und amüsiert sich über das Mißverständnis. Nachdem wir gegessen haben, beschließen wir, mit der Session zu beginnen. Wir proben "Ilheu" (kleine Insel), Robertos Lied, und es läuft auf Anhieb ganz gut. session1Die Session wird immer besser, von Stück zu Stück steigern wir uns in einen lockeren groove. Die jungen Leute, die allmählich in der "Padereira" ankommen, sind anfänglich ein bißchen irritiert von der ungewöhnlichen Musik, die da gespielt wird, doch im Laufe des Abends kann man immer mehr zuckende Knie, tappende Schuhe und wippende Köpfe beobachten.
session2session3
Wir spielen vor allem die Stücke, die wir auch am nächsten Abend beim Konzert bringen wollen, die Generalprobe für den großen Auftritt, aber auch einige spontane Tunes und Balladen. Sergio, Robertos Bruder, kommt hinzu und die "Padereira" füllt sich mit immer mehr jungen Leuten. Die Musiker der anderen Gruppe, die später spielen soll, sind angekommen und ich frage sie, wie lange wir noch musizieren sollen. Sie freuen sich über unsere Musik und sagen, dass wir so lange spielen können, wie wir wollen. Wir einigen uns auf etwa eine weitere Stunde und der Abend nimmt seinen Lauf. Als die Stimmung immer ausgelassener wird, erzähle ich schließlich die Geschichte des Liedes "Santa Maria" und dann kommt es - auch für Johannes überraschend - zur Uraufführung des Stückes, das mit frenetischem Applaus gefeiert wird. Zuletzt spielen wir noch ein zweites Mal "Ilheu" und unser zehnminütiges Polka-Set. Die jungen Leute singen mit, tanzenMarie & Willie tanzen und sind restlos aus dem Häuschen. Als gegen ein Uhr nachts schließlich die anderen Musiker mit ihrem Programm beginnen, haben wir ihnen den Stimmungsboden so gut bereitet, dass nichts mehr schief gehen kann. Gegen vier Uhr am Morgen erreichen wir unsere Matrazen und sind noch so aufgekratzt, dass keiner so richtig einschlafen kann.

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Freitag, 17. August 2001

Wir sitzen gegen 11 Uhr am Frühstückstisch und schlürfen unseren Morgenkaffee. Die Haustür ist - wie immer offen - und ein leichter Wind weht vom Meer herein. Wir sind noch ziemlich müde und haben für den frühen Nachmittag eine kleine "warming-up-session" geplant, vor allem, um mit unserem Keyboarder Jürgen Schöffel die Arrangements nochmals durchzugehen. Leo läuft schon manchmal ohne seine Krücken durchs Haus und wir sind guter Dinge, in froher Erwartung der kommenden Tagesereignisse.
Kurz darauf steht ein Mann in der Tür und fragt etwas auf Portugiesisch. Keiner versteht ihn und ich gehe hinaus, um heraus zu finden, was er will. In der Einfahrt steht ein dunkelroter Mercedes-Bus und der Mann zeigt mit dem Finger auf einen Zeitplan, aus dem hervorgeht, dass er uns um 11.15 Uhr abholen und zum Mittagessen transportieren soll. Wir müssen alle lachen, weil wir ja gerade beim Frühstücken sind und weil solch plötzliche "Über-Organisation" so gar nicht ins Bild der ansonsten doch eher gemächlich, improvisiert und spontan handelnden Azorianos passt. Doch der Mann ist hartnäckig und versucht immer wieder uns zu veranlassen, in den Mercedes-Bus einzusteigen. Mit einigen Brocken Spanisch kann ich ihm klar machen, dass wir ganz und gar nicht gewillt sind, jetzt schon mit ihm mit zu kommen, um irgendwo zu Mittag zu essen und ich empfehle ihm, noch einige Minuten zu warten.
Kurz darauf fährt ein weiterer Mercedes-Bus vor. Der Fahrer steigt aus und hält uns einen anderen Zeitplan unter die Nase. Aus dem geht hervor, dass er die "Josie White Revival Band" bereits um 11 Uhr abholen sollte, sich leider ein bißchen verspätet hat und sich vielmals entschuldigt. Zum Glück kann er ein wenig Englisch, so dass ich ihm erklären kann, was ich vermute. Dass er nämlich zum anderen Haus hätte fahren müssen, um dort den Rest der Gruppe abzuholen und dass wir hier ohnehin nur vier Musiker seien. Zwei Mercedes-Busse mit jeweils 8 Plätzen für 4 Musiker ! Wir sind ausgesprochen amüsiert. Der Fahrer begreift allmählich das Dilemma und erklärt seinem Kollegen den Sachverhalt. Wir beschließen, daß ich mit dem englisch-sprechenden Fahrer zum anderen Haus fahre, und dass der andere Fahrer im Anschluss an das Frühstück mit Tina, Leo und Mo nachkommen soll.
Ich packe meine Instrumente und wir fahren los. Kurz darauf erreichen wir das Appartment-Haus, wo wir feststellen, dass hier gerade das Frühstück vorbereitet wird. Es ist kurz vor zwölf Uhr Mittags und wir beschließen, dass wir uns frühestens um zwei Uhr ins Restaurant fahren lassen wollen. Wir sagen den beiden Fahrern, die unschlüssig in der Einfahrt warten, dass sie uns bitte in zwei Stunden abholen möchten. Die Beiden fahren los und wir ruhen uns nach dieser allgemeinen Aufregung erst mal ein bißchen aus. "Von wegen sofort und jetzt", feixt Mo, und Thomas ergänzt lapidar: "But Later !" Alle lachen.

Gegen zwei Uhr kommen die beiden Mercedes-Busse pünktlich vorgefahren, und wir steigen ein. Man bringt uns in ein klimatisiertes Restaurant, wo bereits die Musiker und Musikerinnen der beiden afrikanischen Bands essen, die am Abend nach uns spielen sollen. Wir machen uns miteinander bekannt und bestellen das Menu. Der Wein ist gut, das Essen ist nicht versalzen und das Gefühl, dass wir es uns so richtig gut gehen lassen, breitet sich wie ein warmer Teppich in unserem Gemütern aus.

Um halb vier fahren wir nach "Praia Formosa", dem Strand in einer wunderschönen Bucht, wo schon emsige Festival-Vorbereitungen im Gange sind. Wir bringen unsere Instrumente in den Backstage-Raum, wo sie sicher sind und gehen hinaus auf die Festivalwiese, wo die Gruppe aus Angola in wenigen Minuten mit dem Soundcheck beginnen wird. Der PA-Chef erkärt uns, dass unser Soundcheck gegen halb sechs sein soll (or later) und möchte wissen, wo wir auf der Bühne stehen bzw. sitzen wollen. Wir skizzieren ihm die Aufstellung der Musiker auf einem Zettel und verabschieden uns für die nächsten zwei Stunden in Richtung Atlantikwellen.

Es ist viel junges Volk versammelt, dass große Zeltdörfer errichtet hat, und eine Atmosphäre verbreitet, die an eine Mischung aus Breminale und Woodstock erinnert. Wir entspannen am Strand, baden in den durchaus respektablen Wellen und schlendern je nach Laune die Uferpromenade entlang. Immer mehr Leute kommen an, ein Auto nach dem anderen quält sich die engen Serpentinen zur Bucht hinunter. Uli und Fabian sind auf Motivsuche und machen "Atmobilder".

Kurz vor sechs können wir auf die Bühne. Wir suchen uns unseren Platz, verkabeln die Instrumente, richten die Mikrofone ein und besprechen den Ablauf mit dem Soundtechniker. Ich gehe mit zum Mischpult, um den Klang der einzelnen Instrumente zu hören und zu korrigieren und stelle schon nach wenigen Minuten fest, dass die Jungs ihre Arbeit ganz gut verstehen. Wir verabreden, dass sie eine Grundeinstellung für sämtliche Kanäle festlegen und nur geringfügige Korrekturen während des Konzerts vornehmen, weil wir nämlich selbst für die jeweilige Dynamik sorgen wollen.

Uli und Fabian filmen gerade das Interview mit Max Brix Elisabeth und ich nehme die kleine DV-Kamera, um im MTV-Style kurze Statements der Musiker zum Grad ihrer Aufgeregtheit einzufangen. Danach spielen wir drei Stücke an, damit der Gruppensound abgemischt werden kann, und über die Monitorboxen hört sich der Sound ziemlich gut an. Ich bin beruhigt, weil ich mir doch große Sorgen gemacht hatte, ob die Soundtechniker mit so vielen akustischen Instrumenten, Flöten und Trommeln überhaupt klar kommen. Vor allem der heftige ablandige Wind macht uns zu schaffen und Thomas befürchtet, dass er keinen vernünftigen Ton aus seiner Lowwhistle heraus bekommt.
Wir spielen gerade "Inisheer", als das "Woodstock-für-Arme-Festival" seinem Namen alle Ehre macht. Es beginnt aus Eimern zu gießen. Bernd im Regen
So schnell wir können, verstauen wir unsere Instrumente wieder in den Cases und die Tontechniker und Helfen decken alles mit riesigen Plastikplanen ab. "Na, das kann ja heiter werden", denke ich, und in der Tat klart es nach einer heftigen halben Stunde wieder auf. Über der Bucht hat sich ein wunderschöner Regenbogen gebildet, der aus der Festivalwiese heraus bis ins Meer reicht. Ich blicke in den Himmel und zwinkere dem alten Josie zu, der da oben an der Seite vom lieben Gott auf einem Ehrensessel sitzt und Festival-Regie führt. "Gut gemacht, alter Fiddler" sage ich, "jetzt kann ja nichts mehr schief gehen !". Der Wind hat sich gelegt. Der Himmel zeigt ein klares Blau und die Regenwolken verschwinden allmählich am Horizont.

Kurz darauf sind die beiden Mercedes-Busse wieder da, und wir werden zurück nach Vila do Porto gefahren, wo wir in einem Restaurant zu Abend essen sollen.
Als wir das Restaurant erreichen, weiß der Wirt von nichts und zeigt auf einige Musiker, die bereits an einem langen Tisch sitzen und auf das Essen warten. Wir begrüßen uns und stellen fest, dass es sich dabei um die Musiker der "James Montgomery Band" handelt, die der Wirt fälschlicherweise für die "Josie White Revival Band" gehalten hat. Blueslegende James Cotton, der unter anderem mit B.B. King zusammen gespielt hat, ist auch dabei und krächzt uns ein freundliches "high boys" entgegen. Der uralte farbige Mann hat kaum noch Stimme, eher ein Reibeisen. Wir stehen eine Zeitlang unschlüssig herum. Kopfschüttelndes, langezogenes "uhahoh" wabert mehrfach durch den Raum. Wieder eine dieser wunderbar chaotischen Verwechslungen ! Jürgen telefoniert per handy mit Rui Batista und versucht ihm die Situation zu erklären. Rui entschuldigt sich mehrfach und empfiehlt uns, in dem Restaurant zu essen, wo wir auch schon zu Mittag gespeist haben. Wir setzen uns in Bewegung und sitzen um 21.30 Uhr an den Tischen. Um 23 Uhr soll unser Konzert beginnen.

22:45 Uhr: Unruhige, zappelnde, erwartungsfreudige Musiker der "Josie White Revival Band" stehen im Backstage-Raum herum und warten darauf, dass es endlich losgeht. Draußen auf der Wiese haben sich bereits an die tausend junge Besucher versammelt, die dem Beginn des Festivals entgegenfiebern. Uli und Fabian filmen noch ein paar kurze Statments über die jeweilige Befindlichkeit. In mir ist eine unbändige Freude und nur ein ganz kleines Lampenfieber. "Und das ist gut so", konstatiere ich in Richtung Kamera, "das sorgt für die nötige Power!".
Endlich geht es gut. Einer der Organisatoren kündigt uns an und wir werden mit freundlichem Applaus empfangen.
Wir nehmen unsere Posititionen ein, stimmen die Instrumente noch mal kurz durch, und los geht's mit "Fiad an Nilla" einem eher meditativen March, der von Tina, Leo und Mo gespielt wird. Bernd eröffnet den "Blarney Pilgrim Jig" mit knackigen Bluesrhythmus und wir beschließen das erste Medley mit einem furios gespielten "Morrisson's Jig". Die Leute sind hellauf begeistert. Brausender Applaus schallt uns von mittlerweile annähernd zweitausend Zuhörern entgegen, die sich während des ersten Stücks eingefunden haben.
publikum
Danach läuft alles wie von selbst. "The Moving-On-Song", "Greensleeves", "Ordinary Man" kommen wunderbar und nur bei "Song to carry me away" patzen wir nacheinander und der Rhythmus schleppt sich so dahin. Doch als wäre das die sogenannte "kalte Dusche" gewesen (die Leute klatschten trotzdem !), geht es danach so richtig "ab". Unsere Standard-Reels "Cooley's Reel & The wind that shakes the Barley" grooven ungemein, der "Monaghan Jig", von
Thomas Jürgen & Thomasmit einem die Nackenhaare sträubenden "Parting of Friends"-Intro eröffnet, ist geradezu magisch. Nach Tina's "Caribean Set", bei das sie auf ihrem Button-Akkordeon zelebriert, toben die Massen.
Mo arbeitet meisterlich auf dem Bass und ersetzt gleich noch den Schlagzeuger, Bernd und ich hüpfen auf der Bühne herum wie zwei Tanzbären und Jürgen sorgt mit Marie gemeinsam für den vollen Sound des Oktetts.
Bei "Ballad of St.Anne's Reel" begrüßen wir schließlich den Lokalmatador Johannes Resseguier, genannt "Joao", Joao, Tina, Leo, Marie, Mo, Jürgen, 0,5 Willieund das Publikum beginnt, Ringelreihn und Polonese zu tanzen.
"Inisheer" kommt wie eine Atlantikbrise und die jungen Leute winken dazu mit ihren Armen und Feuerzeugen durch die warme Abendluft.
Mit einer improviserten "Funky-Version" von "Dirty Old Town", bei der Mo den Bass-Tapper herausholt, steigert sich die Stimmung in Richtung Höhepunkt.
Als wir danch Roberto und Sergio von "Ronda di Madrugada" auf die Bühne holen, um mit ihnen gemeinsam "Ilheu", die Hymne von Santa Maria zu singen und zu spielen, ist das Publikum nicht mehr zu halten. Wir umarmen uns und wissen, das wir "harvest home" gebracht haben.
Beim letzten Stück kommt schließlich Erneste, Erneste & Willieder Schlagzeuger der Eneida-Morta-Band, einer Gruppe aus Guinea-Bissao, dazu und wir spielen ein keltisch-afrikanisches Polka-Medley, das von Ernestes furiosem Djembe-Trommeln vorangetrieben wird.
Als wir nach etwa anderthalb Stunden unser Konzert beenden, gibt es minutenlangen Applaus. Max, Rui und die anderen Organisatoren sind total begeistert und drängen uns nochmal zurück auf die Bühne.
Und dann stehe ich da mit meiner Mandoline und beginne mit der Ballade, die ich eigens für das Festival geschrieben habe: "Santa Maria". Bernd, Roberto, Jürgen, Mo und Thomas stimmen mit ein, und schließlich singen viele aus dem Publikum mit, vor allem wenn es im Refrain "... linda ilha dos Acores" heißt.

Nach dem Konzert sind wir wie in einem Rausch. James Montgomery, der die zweite Hälfte des Konzerts gehört hat, hält seinen Daumen hoch und meint: "You guys did a real great job, thank you guys for the wonderful music !" Wir verteilen noch einige CDs und ich entschließe mich, als die Band von Erneste, dem Djembe-Trommler loslegt, ein nächtliches Bad im Atlantik zu nehmen. Umrauscht von den heranrollenden Wellen, lasse ich mir die afrikanisch-portugiesischen Rhythmen durchs Blut strömen, dusche mich danach kalt ab und tauche abermals erneut ein, dieses Mal in das Bad der tanzenden und singenden Menge.

Wir tanzen die ganze Nacht bis in den frühen Morgen. Der Bus bringt uns zurück zum Appartment-Haus. Mo macht es sich auf dem Geländer vor dem Appartmenthaus "gemütlich", und Thomas will mit seinem mitgebrachten Teleskop noch unbedingt den Jupiter am Sternenhimmel beobachten. Im allmählich herauf ziehenden Blau des Morgens gehen wir schließlich für ein paar Stunden schlafen.

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Samstag,18. August 2001

Nach ungefähr fünf Stunden Schlaf packen wir unsere Sachen und lassen uns von Gualter zum Appartmenthaus nach Vila do Porto fahren. Die anderen sind auch schon reisefertig. Tina, Leo, Uli und Fabian müssen einen früheren Flug nehmen. Wir anderen werden später am Nachmittag zum Flughafen gefahren.
Wir verdösen den Nachmittag, schwelgen noch in der Erinnerung des gestrigen großartigen Konzerts und warten auf den Mercedes-Bus, der - man glaubt es kaum - pünktlich kommt.

Am Flughafen treffen wir die Musiker aus Guinea-Bissao wieder und als sich heraus stellt, dass sich unser Abflug um zirka eine Stunde verzögern wird (sorry, but later), entschließen wir uns zu einer Spontan-Session im Flughafen-Gebäude. Erneste holt sein Djembe heraus, und wir spielen einige Jigs, Reels und Polkas. Ich drücke dem Kameramann des portugiesischen Fernsehens, der auch auf seinen Rückflug nach Lissabon wartet, meine Mini-DV-Videokamera in die Hand und bitte ihn, ein bißchen zu filmen. Johannes tanzt mit Juco, dem Keyboarder der "Eneida-Morta-Band" eine Polka und die übrigen Reisegäste sind hellauf begeistert.
Abflugsession
Erneste schenkt uns zum Abschied eine der Rasseln, die vorne in seinem Djembe stecken. Marie wickelt die metallische, scharfkantige Trophäe in ein Tuch ein und verstaut sie vorsichtig in unserer Bodhran-Hülle.

Mit "Wayfaring Stranger" verabschieden wir uns von Santa Maria, nicht ohne Wehmut. Nachdem die Propellermaschine vom Boden abgehoben hat, versinkt unter uns Santa Maria in einem Meer aus Wolken, die wie seidene Vorhänge vor dem tief stehenden, gold glänzende Sonnenlicht an uns vorbei wehen. Als wir schließlich eine knappe Viertelstunde später auf der Hauptinsel Sao Miguel landen, weint der Himmel in Strömen.
Wir nehmen ein Taxi zu einem Vier-Sterne-Hotel, wo man uns Zimmer reserviert hat, verbringen noch einen lustigen Abend in der Hafengegend von Ponta Delgada und lassen uns den eisgekühlten Vinho Verde in einem vor "Künstlerkult" überquellenden Restaurant schmecken.

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Sonntag, 19. August 2001

Der Rückflug nach Frankfurt verläuft ohne Zwischenfälle. Auf der Zugfahrt von Frankfurt nach Bremen nehme ich mir einen Zettel aus der Tasche und schreibe noch eine fünfte Strophe des "Santa-Maria-Songs":

5) "When we came to the island of Santa Maria
the weather was pleasant and warm.
We meat gentle people, who treated us friendly
and showed us the places all around.
We jammed for a week in rehersals and sessions
with the Donegal ghost on his chair.
At the night of the concert when the spirit was high,
the groove of old Josie was there.

Chorus: Now we singing this song on Santa Maria ...