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von Willie Burger
Die Azoren liegen mitten im Atlantik, zwischen Lissabon und New York. Dass dort seit 17 Jahren ein internationales Musikfestival stattfindet, bei dem zum Teil hochkarätige Gruppen aus Afrika, Brasilien, USA, Canada und Europa spielen, weiß kaum jemand. Dass auf einer der kleinsten Inseln mit Namen Santa Maria, auf der gerade mal 5.000 Menschen leben, sich zu Festival-Zeiten mehr als doppelt so viele junge Leute aufhalten, ist ein weiteres erstaunliches Phänomen. Und dass ausgerechnet die "Josie White Revival Band" dort ein Engagement bekommt, grenzt schon an ein kleines Wunder. Oder besser: eine wunderbare Verkettung von Zufällen, die das Leben so selten knüpft.
Und so stellt sich eine neugierige und gleichermaßen naheliegende Frage: Wie sind wir eigentlich auf die Azoren gelangt ?
Nun, die Geschichte kann in ungefähr fünf Minuten erzählt werden, und ich habe sie in einem selbst geschriebenen Lied besungen:
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SANTA MARIA (Text und Musik: Willie Burger)
1) I woke up one morning in the month of November
and heard a man's voice on the phone.
He said: Do you still remember us playing
in a pub about three years ago ?
I answered, I'd surely remember him coming
to our concert in the sweet month of June.
We were jiggin' and reelin', we were jokin' and dancin'
and the evening was full of our songs.
Chorus:
Now we singing this song on Santa Maria,
linda ilha dos Acores. (beautiful island of the Acores)
Singing around with wonderful people,
a heartbeat that's moving along.
2) The man brought with him a mighty old tuba,
which even was bigger than him.
We invited him playing some tunes & some ballads,
while the concert had reached up a height.
He blowed and he tortured it's deep roaring belly,
but masterd the tunes that we'd played.
His cheeks like balloons, his eyes like two mellons,
as he started to play right away...
(Chorus)
3) I asked: What's your name, brass-blowing-
wonder ?
He smiled, as he answered to me:
You can call me Joao, the man with the tuba,
the rest cannot ever pronounced !
We were jammin' along for the rest of the evening,
far beyond of the "Shamrock's Green Shore".
At the end of the evening, when the guests were all gone,
it was only us playing along ...
(Chorus)
4) Talking along and remembering the past
the music was still in our ears.
The phone-call seemed not come to an end,
but at last we'd agreed with a deal.
I'd moved, said Joao, for 3000 miles
to the beautiful islands Acores
and I'd like to invite you, meet the people around here,
who are longing to hear all your songs ..
Chorus: (3 times)
Now we singing this song on Santa Maria,
linda ilha dos Acores. (beautiful island of the Acores)
Singing around with wonderful people,
a heartbeat that's moving along.
Der Mann mit der Tuba heißt Johannes Resseguier, ist Butenbremer und vor ungefähr drei Jahren nach Santa Maria ausgewandert. Er lebt dort als "selbstversorgender Kleinstunternehmer", wie er schmunzelnd bemerkt, und hat ziemlich schnell zu anderen lokalen Musikern und den Organisatoren des Festivals "Mare Agosto" Kontakt bekommen. Dann hat er sich an unser Konzert im "Dubliner", einer irischen Kneipe in Bremen, erinnert und bei den Organisatoren nachgefragt, ob sie Interesse an einer deutschen Band mit irischer Musik hätten. Die sagten, dass sie immer Interesse an unbekannten, guten Gruppen hätten und dass sie gerne etwas von der "Josie White Revival Band" hören möchten. Johannes hatte mich daraufhin im November 2000 ganz aufgeregt angerufen und mich gebeten, möglichst schnell unsere CD und einiges Informationsmaterial nach Santa Maria zu schicken, was ich dann auch tat. Schließlich hatten wir ja nichts zu verlieren !
Es dauerte dann noch ungefähr zwei Monate, bis wir von Johannes erfuhren, dass man bereits unsere CD im Radio der Azoren spielen würde. Ein gutes Zeichen, wie er meinte. Danach dauerte es noch einen weiteren Monat, bis wir die Entscheidung gefallen war: Aus einer Fülle von annähernd 100 internationalen Musikgruppen waren schließlich 9 Bands ausgewählt worden, und wir waren dabei !
Im Februar erhielt ich einen Anruf von Max
Brix Elisabeth, dem haupt verantwortlichen Organisator des Festivals,
dass er sich freuen würde, wenn wir kommen würden. Wir
sollten so schnell wie möglich die Namen der Musiker bekannt
geben, damit man Flugtickets besorgen könne.
Das FAX ging noch am gleichen Abend raus, doch die Tickets kamen
erst fünf Tage vor unserem Abflug am 12. August - also ein
halbes Jahr später ! Was in der Zwischenzeit hin und her
geschah, will ich hier nicht weiter ausführen. Jedenfalls
war alles ziemlich aufregend. Das Motto der Organisatoren: "Don't
worry, we'll organize ! (but may be later) feierte von Woche zu
Woche fröhliche Urständ ...
Wir hatten entschieden, schon einige Tage vor
unserem Konzert nach Santa Maria zu fliegen, nicht nur um vorher
das ein oder andere Mal zu proben, sondern auch, um die Insel
ein wenig kennen zu lernen.
Mein Freund und Kameramann Uli Scholz hatte sich spontan entschlossen,
sein professionelles Film-Equipment auf eigene Kosten mitzunehmen
und einen Kamera-Assistenten zu engagieren, um unsere Reise zu
dokumentieren. Kurz vor der Reise wurde er vom Chefredakteur von
Buten und Binnen, dem Bremer Lokalsender, beauftragt, einen 4-Minuten-Bericht
über das Abenteuer zu produzieren, womit zumindest die Flugkosten
gedeckt waren.
Aus Irland wollten Tina McLoughlinund
ihr Freund Leo Rickard, der begnadete Uillean
Piper
aus Howth, County Dublin, dazu kommen.
Mein Bruder Michael
aus Köln sollte uns mit seinem Fretless Bass verstärken.
Bis kurz vor dem Abflugtermin war nicht klar, ob die beiden Iren
mitkommen würden, denn Leo hatte zwei Wochen zuvor noch eine
heftige Operation am Bein über sich ergehen lassen müssen.
Erst drei Tage vor dem Abflug entschied er sich, Tina bei ihrer
Reise auf die Azoren zu begleiten - auf Krücken !
Schließlich kam der große Tag der Abreise und der erste Tag des größten Abenteuers der "Josie White Revival Band".
Und so beginnt es ...
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7.08 Uhr: Wir haben uns am Bremer HBf getroffen, eine Unmenge Equipment dabei: Instrumente, Kameras, Stative, Reisekoffer, Zubehör, etc. Alle sind noch ziemlich müde. Die Erwartungen sind hoch, leise Aufregung spürbar. Bernd zappelt herum, er ist noch nie mit dem Flugzeug geflogen. Thomas verbreitet Gelassenheit und Ruhe. Er ist der am weitesten Gereiste von allen. Uli lässt seinen Assistenten Fabian Teichmann das Equipment zusammenstellen. Dann kommt der InterRegio nach Hannover. Wir steigen ein. Uli macht seinen ersten shot.
8.15 Uhr: Wir erreichen Hannover-Hauptbahnhof. Auf dem Weg zwischen Bremen und Hannover war die Stimmung ziemlich locker. Wir haben überteuerten Kaffee getrunken und über die chaotische Situation gewitzelt. Es ist gut, mit so vielen netten Menschen unterwegs zu sein, die sich beim Ein- und Ausladen gegenseitig helfen. Elisabeth, Thomas' Frau, hat die Verantwortung für meine Mandoline übernommen. Marie Vogelei trägt mein Bodhràn, das sie auch beim Konzert spielen soll. In einer halben Stunde soll es in Richtung Frankfurt-Flughafen weitergehen.
11.45 Uhr: Wir sind am Terminal 2 des Frankfurter
Flughafens angekommen, wo wir genügend Zeit haben, um einzuchecken.
Mein Bruder Michael, den alle nur kurz "Mo" nennen,
kommt gegen 13 Uhr aus Köln hier an, und ich werde ihn vom
Bahnsteig gemeinsam mit Uli abholen. Nach der Security-Überprüfung
wird unser Gepäck reibungslos eingecheckt, direkt nach Santa
Maria, dem Ziel unserer heutigen Reise. Danach gehen wir ins Flughafen-Restaurant,
wo wir gerade noch einen der letzten freien Tische ergattern.
Dort warten wir.
13.30 Uhr: Mo ist mit einer Viertelstunde Verspätung angekommen und hat selbst gebackene Blueberry-Muffins für alle mitgebracht. Der Flug wird aller Voraussicht nach mit einigen Minuten Verspätung abgehen, und wir können uns reichlich Zeit lassen, um unser Handgepäck inklusive der Instrumente zum Abflug-Gate im Terminal 1 zu schaffen.
15.30 Uhr: Wir sitzen im Airbus der portugiesischen Airline SATA und warten auf die Startfreigabe. Bernd ist aufgeregt, Mo ebenfalls. Ich bin seltsamerweise ziemlich ruhig, obwohl ich vorher ziemlich hektisch war, weil ich mir irgendwie die "Reiseleitung" auferlegt hatte. Doch jetzt habe ich die Verantwortung an den Flugkapitän abgegeben und es mir in meinem Sitz bequem gemacht.
17.30 Uhr: Wir haben zwei Stunden gegenüber der mitteleuropäischen Sommerzeit "eingespart" und sind nach vier Stunden Flugzeit auf dem Flughafen von Ponta Delgada auf der azorianischen Hauptinsel Sao Miguel gelandet. Alles lief bestens, selbst Bernd hat den Flug genießen können. In ca. 45 Minuten soll es nach Santa Maria weitergehen. Wir haben nicht viel Zeit. Die Luft in Ponta Delgada ist feuchtwarm und alle sind guter Dinge.
18.30 Uhr: Mit ungefähr 20 Minuten Verspätung ist die Propellermaschine in Richtung Santa Maria abgehoben. Wir durchfliegen eine dichte Wolkenschicht, zwischen der die Abendsonne hin und wieder durchbricht und ein goldenes Glänzen über dem Atlantik entstehen lässt. In mir ist eine große Freude und ich bin gespannt, was uns am Ziel der Reise erwartet.
19.15 Uhr: Wir sind in Santa Maria ! Nachdem wir unser Gepäck abgeholt haben, schieben wir die vollbeladenen Rollwagen Richtung Ausgang. Johannes erwartet uns mit Tina und Leo, die bereits vor einigen Stunden auf Santa Maria angekommen sind. Einige Azorianos sind auch am Gate und Johannes, den hier alle "Joao" nennen, freut sich wie ein Schneekönig. Nach der Begrüßungsorgie werden Autos organisiert, die uns zu den beiden Häusern bringen sollen, wo wir untergebracht werden. Alles wirkt ein bißchen improvisiert, doch die Herzlichkeit der Begrüßung und die Freundlichkeit, mit der wir empfangen wurden, überwiegt das Organisationschaos. Alle sind müde und freuen sich auf eine kalte Dusche.
21.15 Uhr: Wir essen eingepackte Sandwiches in einem Restaurant in der Nähe des Ortskerns von Vila do Porto. Der Koch hat schon Feierabend und es gibt erst morgen warmes Essen, dafür schon zur Mittagszeit. Oder später. Wir gewöhnen uns nur ganz langsam an die neue Zeit, die hier auf den Azoren nicht nur zwei Stunden später als bei uns eintrifft, sondern auch in sich - was den Tagesrhythmus angeht - verschieden läuft. Alles findet irgendwann statt, wenn auch manchmal erst später ! Wir probieren den frischen Vinho Verde und sind froh, dass alles gut gegangen ist, und wir hier gut angekommen sind.
Johannes ist total aufgeregt. Er kann es gar nicht fassen, dass wir hier sind und dass seine Vision tatsächlich Wirklichkeit geworden ist. Immer wieder sagt er, dass er bezüglich des Festival-Auftritts unheimliches Knieflattern hat, so als würde er sich für einem möglichen Blackout in nächster Zukunft bereits jetzt die Absolution abholen wollen. Ich versuche, ihn so weit wie möglich zu beruhigen und ihm das Gefühl zu geben, dass alles ein Prozess ist, der ja erst noch zustande kommen wird. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Gedanken nicht so richtig zu ihm durchdringen.
0.45 Uhr: Wir sind mit einem Taxi nach Graca
Almagreia gefahren und vollkommen platt ins improvisierte Bett
gefallen. Ich schlafe auf einer Matraze unterm Fenster, Mo hat
es sich auf einem Ledersofa "bequem" gemacht und Tina
und Leo sind im Doppelbett im Nebenzimmer untergebracht worden.
Johannes hat das Haus
für uns geräumt und hat sich von einem anderen Taxi
in sein altes Haus in Sao Espirit auf der anderen Seite der Insel
bringen lassen. Er will uns morgen Nachmittag zu einem ersten
"rehersal" treffen. Die übrigen sechs - Thomas,
Elisabeth, Marie, Bernd, Uli und Fabian - sind in einem Appartment-Haus,
ungefähr sechs Kilometer von uns entfernt, untergebracht
worden. Jürgen Schöffel, unser Keyboarder, kann erst
am Mittwoch von Bremen aus losfahren, da er nur wenige Urlaubstage
hat.
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11.45 Uhr: Wir haben ausgiebig gefrühstückt. Johannes hat seinen Kühlschrank mit Käse, Wurst und Milch gefüllt, Brot war auch noch da und wir haben Tee und Kaffe gekocht. Leider funktioniert der Warmwasserboiler im Bad nicht, so dass wir kalt duschen müssen, was jedoch angesichts der schwülwarmen Temperaturen eine wahre Wohltat ist, wenn man den Kälteschock erst mal überwunden hat. Es geht mir gut. Ich bin froh, hier zu sein und freue mich auf den ersten Übungstermin, bei dem wir auch das Programm für unseren Auftritt beim Festival entscheiden wollen. Johannes hat uns einen Fahrer organisiert, einen jungen netten Inselbewohner namens Gualter, der sich in den nächsten Tagen als wahrer Engel herausstellen wird. Mit ihm fahren wir zunächst zum Appartment-Haus, wo wir die anderen beim Frühstück antreffen.
13:30 Uhr: Wir gehen im Restaurant essen, wo es am Vorabend die trockenen Sandwiches gab. Der Wirt hat eine Art Azoren-Stew gekocht, mit Kartoffeln und - wenn man will - einem gemischten Salat, der überwiegend aus Möhren besteht. Das Ganze schmeckt ziemlich hausbacken, aber man kann es gut essen. Wir trinken das portugiesische Cerveja "Sagres" dazu und dümpeln vollgefresssen in den schwülwarmen Nachmittag hinein.
15:30 Uhr: Alle sind im Appartment-Haus eingetroffen.
Leo probiert seinen neuen Chanter aus, einen "Original-Leo-Rowsome-Chanter",
den er für 2000 irische Pfund erworben hat und hinter dem
er 13 Jahre her war. Er ist mächtig stolz darauf, das Ding
jetzt spielen zu können und fürchtet nur um seinen Ton,
wegen der Feuchtigkeit und der Hitze, wie er sagt.
Wir beginnen mit dem Herumdaddeln, versuchen erst mal die Instrumente
zu stimmen und den Bass von Mo sowie meine Mandoline an die kleinen
mitgebrachten Aktivboxen anzuschließen, damit sie im Vergleich
zu den anderen Instrumenten hörbar sind.
Jigs und Reels, die Polkas und ein paar Balladen sind schnell
angespielt. Wir versuchen, erst mal den "groove" zu
bekommen, was bei einer so großen Gruppe mit unterschiedlichen
Mentalitäten nicht so ganz einfach ist. Anfänglich hört
sich das Ganze noch recht holprig an, und die Instrumentals klingen
wie in einer irischen Session, die sich gerade formiert. Wir verzichten
auf die Festlegung des Programms und beschließen erst einmal,
"Josie's ghost" in uns zu spüren, jenen geheimnisvollen
Groove, den der Geist des seligen James
Josie McHugh über uns bringt. Doch der lässt dieses
Mal ziemlich lange auf sich warten. Zwischen der Tuba von Johannes
und dem Bass von Mo eingezwängt, komme ich recht schnell
zu dem Schluss, dass beide "Bässe" nicht so gut
zusammen gehen, und ich denke schon darüber nach, wie sich
dieses Problem lösen läßt, ohne dass dabei Tränen
fließen.
20.00 Uhr: Wir sind des Übens müde geworden und beschließen, essen zu gehen. Johannes hat mit dem Wirt des Restaurants offensichtlich besprochen, dass es zwei Mahlzeiten am Tag geben soll, was wir jedoch für übertrieben halten. Ich esse überbackenen Stockfisch und salzige rote Paprika, eine Spezialität der Insel. Wir bestellen mehrere Flaschen kühlen Vinho Verde und der Abend klingt aus wie er begann: verschwitzt und völlig kaputt. Wir merken nicht, wie sich unser Zeitrhythmus allmählich in Richtung sechs Stunden "timelag" verschiebt, weil das Nachtleben hier viel später einsetzt als in Bremen.
1:15 Uhr: Tina und Leo sind schon zwei Stunden zuvor mit einem Taxi in das Haus von Johannes in Graca Almagreira gefahren. Mo, Johannes und ich nehmen ein anderes Taxi und fallen todmüde auf unsere verknitterten Nachtlager.
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11 Uhr: Wir haben uns ein relativ üppiges
Frühstück bereitet und hartgekochte Eier verspeist.
Gualter ist schon vor einer halben Stunde mit seinem Wagen vorgefahren
und wartet darauf, dass wir fertig werden, um mit ihm zum Appartment-Haus
fahren, wo unser zweites "rehersal" stattfinden soll.
Ich spüre eine gewisse Unruhe im Magen, weil ich mir Sorgen
darüber mache, ob das mit der großen Gruppe so funktioniert,
wie ich es gehofft habe.
Uli und Fabian werden mit Gualter auf eine Insel-Rundreise fahren,
um "footage" für den Buten-und-Binnen-Viereinhalb-Minüter
zu drehen, der im Laufe der kommenden Woche gesendet werden soll.
Das zweite "rehersal" grooved schon besser, doch es wird mir immer klarer, dass es mit Tuba und Bass gleichzeitig nicht so richtig funktioniert. Am Ende der Probe nehme ich Johannes zur Seite und schenke ihm "reinen Wein" ein: Er wird nur bei den letzten fünf Stücken mitspielen, so wie auch dazumal in Bremen, als wir uns kennen lernten. Im Gegensatz zu meinen Befürchtungen löst die Entscheidung bei ihm den Knoten. Er ist keinesfalls enttäuscht, sondern wirkt eher erleichtert, weil jemand eine schwere Bürde von seinen Schultern nahm, die er sich selbst im Laufe der Monate auferlegt hatte. Auch Mo ist jetzt etwas ruhiger und sein sonst so strenger "Jaco-Pastorius-Blick" wirkt ein wenig milder.
Um sechs Uhr am Abend bin ich mit Johannes beim lokalen Radiosender zu Gast, ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Das Interview dauert ungefähr anderthalb Stunden und wir haben ausgiebig Zeit, die Geschichte der Band und unsere Eindrücke von Santa Maria übe den Äther zu schicken - welch wohltuender Gegensatz zum "fast-food"-Geschwätze deutscher Radiosender !
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Wir haben beschlossen, einen "Off-Day"
zu machen und entschließen uns, eine Insel-Rundfahrt mit
finalem "Plutschern" (oberbergisch für "ein
Vollbad nehmen") an einem der Strände von Santa Maria
zu unternehmen.
Wir bilden zwei Gruppen, die nacheinander von Gualter mit dem
Auto befördert werden. Die erste Gruppe, zu der auch ich
gehöre, will sofort ans Meer und besteht aus Marie, Bernd
und Fabian, dem Uli einen freien Tag gegeben hat, während
er selbst auf der Terasse des Appartments bleibt, um am script
für den Buten-und-Binnen-Beitrag zu arbeiten. Mo, Johannes,
Thomas und Elisabeth wollen nicht sofort zum Strand, sondern erst
mal eine Insel-Rundfahrt machen.
Wir fahren los, zunächst in eine Bucht,
zu der Tina und Leo sich schon kurz zuvor haben hinbringen lassen.
Als wir den Ort erreichen, erzählt uns Gualter, dass an diesem
Strand im Jahre 1492 Christoph Columbus auf seiner Rückfahrt
von Amerika anlanden wollte. Doch die Inselbewohner hielten ihn
anfänglich für einen Piraten und ließen sich erst
allmählich von seinen ehrlichen Absichten überzeugen.
Heute steht ein überdimensionales Denkmal von Columbus in
der Nähe des Strandes, der zu einem betonierten Pool ausgebaut
wurde, so dass auch kleine Kinder gefahrlos im Wasser dümpeln
können.
Uns gefällt diese Architektur jedoch nicht so gut und so
entschließen wir uns, weiter zu fahren, in die Bucht von
Sao Lorenco. Unterwegs überqueren wir die Hügel des
Pico, durchfahren eine Art von subtropischem Dschungel und kommen
schließlich in eine von welligen Hügeln durchwachsene
Landschaft.
Eine Viertelstunde Stunde später erreichen wir einen Aussichtspunkt,
von dem aus wir einen herrlichen Blick auf die Bucht haben. Gualter
zeigt mir einen Felsen, der steil aus dem Meer aufragt und erzählt
voller Stolz, dass er volr einem Jahr dorthin geschwommen ist
und mit seinem T-Shirt die Spitze des Felsens beflaggt hat. Durch
das Zoom meiner Mini-DV-Videokamera kann ich das T-Shirt im Wind
flattern sehen.
Es weht ein leichter Wind und es ist relativ trocken. Nur wenige
Wolken ziehen über den Horizont, und die Sonne lädt
ein zu einem lustvollen Ruhetag am Strand. Gualter fährt
zurück, um die andere Gruppe über die Insel zu fahren.
Sao Lorenzo ist ein richtiges kleines Paradies ! Wir sitzen in
einem Restaurant, trinken Wasser und Cerveja und genießen
den Ausblick. Später tollen wir im Sand, "plutschern"
und bodysurfen in den Wellen und spielen mein Lieblingsspiel,
Beach-Boccia mit flachen Steinen.
Gegen sechs Uhr kommen die Anderen schließlich
in Sao Lorenco an. Wir haben gerade unser Essen beendet und fahren
wir wenige Minuten später zurück in Richtung Vila do
Porto.
Schon nach einigen Kilometern hören wir ein schabendes Geräusch,
das offensichtlich von einem der Reifen ausgeht. Wir halten an
und Gualter untersucht alle Reifen, kann jedoch nichts finden.
Mehrere Fahrzeuge halten. Die Fahrer und Beifahrer steigen aus,
wollen helfen. Als sie nichts feststellen können, entschließt
sich Gualter, weiter zu fahren und biegt nach ungefähr fünf
Kilometern in eine Dorfstraße ein, wo ein guter Freund von
ihm wohnt, der sich mit Autos auskennt, wie er sagt.
Dort wird erst mal der Reifen gewechselt. Das dauert seine Zeit.
Wir kommen etwa zwei Stunden später als beabsichtigt in Vila
do Porto an. Gualter holt Tina und Leo aus der anderen Bucht ab
und macht sich dann auf den Weg nach Sao Lorenco, um Elisabeth,
Thomas, Johannes und Mo abzuholen.
Um neun Uhr am Abend treffen schließlich alle am Haus an,
wo unser nächstes Rehersal stattfinden soll.
An diesem Abend läuft alles wie geschmiert. Die Stücke grooven, die Arrangement klappen gut. Tina vergißt zwar vor lauter Verträumtheit einige Einsätze, aber das macht nichts. Beim "Caribean Set", bei dem sie auf dem Button-Accordeon spielt, suchen wir einige Minuten nach dem richtigen "groove" und Thomas bietet schließlich an, mit dem Bodhrán für den richtigen "beat" zu sorgen. Das bringt den entscheidenden Kick, und für den Rest des Abends sitzt der Geist des alten Josie McHugh bei uns und strahlt über alle vier Backen !
Nach der Probe überredet Uli uns, mit
ihm in die Stadt zu gehen, wo eine große Fiesta stafffindet
und wo er noch einige Nachtaufnahmen mit uns drehen will, stimmungsvolle
Bilder, wie er meint.
Auf dem Marktplatz scheint das ganze Dorf versammelt zu sein.
Die Gruppe "Ronda di Madrugada", wie ich finde die "Pogues
der Azoren", beginnt um Mitternacht mit einem Konzert und
testet die Musikanlage für das Festival "Mare Agosto"
aus. Bei "Ilheu", dem auf den Azoren bekannten Hit der
Gruppe, singen Mo und ich gemeinsam beim Refrain mit und bei einigen
fetzigen Stücken geben wir uns die Polka zum Tanze. Wir trinken
viel kühles Cerveja und lernen die Musiker der Azoren-Band
kennen, vor allem die beiden Brüder Roberto und Sergio Freijtas,
zwei wirklich nette Jungs. Wir treffen Max Brix Elisabeth, Rui
Batista, einen der anderen Festival-Organisatoren, den Sprecher
der Radiostation und einige andere bekannte Gesichter. Später
in der Nacht nehmen wir das Taxis zurück nach Graca Almagreira.
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Am Nachmittag haben wir ein Treffen mit Max
Brix Elisabeth in seinem Foto-Laden arrangiert, wo wir verabreden,
wie der Konzertabend ablaufen soll. Es ist geplant, dass wir als
dritte Gruppe spielen sollen, eine Vorstellung, die uns einige
Bauchschmerzen bereitet. Dies würde nämlich bedeuten,
dass wir ungefähr um drei Uhr morgens beginnen müssten.
Keiner von uns will so "spät" spielen, vor allem
weil auch Tina und Leo gesundheitlich nicht besonders fit sind.
Und im Anschluss an zwei afrikanische Musikgruppen mit teilweise
meditativen keltischen Klängen ein aufgeheiztes Publikum
zu bedienen, macht auch nicht gerade viel Mut. Ich erkläre
Max, dass unser Programm so aufgebaut ist, dass wir zunächst
einige Balladen spielen und später dann die sogenannten "Kracher",
und dass es für die Dramaturgie des Abends viel besser wäre,
wenn wir beginnen würden und die Afrikaner später spielten.
Max überlegt einen kurzen Moment und stimmt dann zu. Man
würde die Reihenfolge verändern, und wir sollten dann
morgen gegen halb sechs Uhr nachmittags zum Soundcheck kommen.
Einigermaßen beruhigt schlendern wir noch ein bißchen
durch den Ort, später am Nachmittag kommt Jürgen Schöffel
am Flughafen an. Er hat sich gestern per handy gemeldet, dass
er in Ponta Delgada auf der Nachbarinsel Soa Miguel angekommen
ist. Gualter und Elisabeth wollen ihn heute vom Airport abholen.
Am späteren Abend soll es eine Session mit den Musikern von
"Ronda di Magrugada" in einem Restuarant, der "Padereira
Veija" geben.
Jürgen ist glücklich gelandet und
guter Dinge. Alles habe gut geklappt und er freut sich, uns zu
treffen. Einige machen einen Spaziergang zur "Padereira Veija",
die anderen lassen sich von Gualter dorthin fahren. Als wir die
Gaststätte erreichen, ist dort schon eine PA aufgebaut und
wir frohlocken. Die haben ja an alles gedacht, denken wir. Leider
verdacht, denn die junge Frau hinterm Thresen zeigt auf ein Plakat,
aus dem hervorgeht, dass am Abend eine andere Musikgruppe spielen
wird. Wir sind einigermaßen verwirrt. Johannes flippt fast
aus, denn er hatte sich gerade auf diesen Abend und das erste
Treffen mit den Musikern von "Ronda" so gefreut. Und
jetzt dieses Malheur! Er versucht, den Inhaber der "Padereira"
zur Rede zu stellen. Dieser entschuldigt sich für den Irrtum
und lädt uns erst mal zum Essen ein. Roberto Freijtas, der
Sänger und Gitarrist von "Ronda" ist auch schon
angekommen und amüsiert sich über das Mißverständnis.
Nachdem wir gegessen haben, beschließen wir, mit der Session
zu beginnen. Wir proben "Ilheu" (kleine Insel), Robertos
Lied, und es läuft auf Anhieb ganz gut. Die Session wird immer besser, von Stück
zu Stück steigern wir uns in einen lockeren groove. Die jungen
Leute, die allmählich in der "Padereira" ankommen,
sind anfänglich ein bißchen irritiert von der ungewöhnlichen
Musik, die da gespielt wird, doch im Laufe des Abends kann man
immer mehr zuckende Knie, tappende Schuhe und wippende Köpfe
beobachten.
Wir spielen vor allem die Stücke, die wir auch am nächsten
Abend beim Konzert bringen wollen, die Generalprobe für den
großen Auftritt, aber auch einige spontane Tunes und Balladen.
Sergio, Robertos Bruder, kommt hinzu und die "Padereira"
füllt sich mit immer mehr jungen Leuten. Die Musiker der
anderen Gruppe, die später spielen soll, sind angekommen
und ich frage sie, wie lange wir noch musizieren sollen. Sie freuen
sich über unsere Musik und sagen, dass wir so lange spielen
können, wie wir wollen. Wir einigen uns auf etwa eine weitere
Stunde und der Abend nimmt seinen Lauf. Als die Stimmung immer
ausgelassener wird, erzähle ich schließlich die Geschichte
des Liedes "Santa Maria" und dann kommt es - auch für
Johannes überraschend - zur Uraufführung des Stückes,
das mit frenetischem Applaus gefeiert wird. Zuletzt spielen wir
noch ein zweites Mal "Ilheu" und unser zehnminütiges
Polka-Set. Die jungen Leute singen mit, tanzen und sind restlos aus dem Häuschen.
Als gegen ein Uhr nachts schließlich die anderen Musiker
mit ihrem Programm beginnen, haben wir ihnen den Stimmungsboden
so gut bereitet, dass nichts mehr schief gehen kann. Gegen vier
Uhr am Morgen erreichen wir unsere Matrazen und sind noch so aufgekratzt,
dass keiner so richtig einschlafen kann.
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Wir sitzen gegen 11 Uhr am Frühstückstisch
und schlürfen unseren Morgenkaffee. Die Haustür ist
- wie immer offen - und ein leichter Wind weht vom Meer herein.
Wir sind noch ziemlich müde und haben für den frühen
Nachmittag eine kleine "warming-up-session" geplant,
vor allem, um mit unserem Keyboarder Jürgen Schöffel
die Arrangements nochmals durchzugehen. Leo läuft schon manchmal
ohne seine Krücken durchs Haus und wir sind guter Dinge,
in froher Erwartung der kommenden Tagesereignisse.
Kurz darauf steht ein Mann in der Tür und fragt etwas auf
Portugiesisch. Keiner versteht ihn und ich gehe hinaus, um heraus
zu finden, was er will. In der Einfahrt steht ein dunkelroter
Mercedes-Bus und der Mann zeigt mit dem Finger auf einen Zeitplan,
aus dem hervorgeht, dass er uns um 11.15 Uhr abholen und zum Mittagessen
transportieren soll. Wir müssen alle lachen, weil wir ja
gerade beim Frühstücken sind und weil solch plötzliche
"Über-Organisation" so gar nicht ins Bild der ansonsten
doch eher gemächlich, improvisiert und spontan handelnden
Azorianos passt. Doch der Mann ist hartnäckig und versucht
immer wieder uns zu veranlassen, in den Mercedes-Bus einzusteigen.
Mit einigen Brocken Spanisch kann ich ihm klar machen, dass wir
ganz und gar nicht gewillt sind, jetzt schon mit ihm mit zu kommen,
um irgendwo zu Mittag zu essen und ich empfehle ihm, noch einige
Minuten zu warten.
Kurz darauf fährt ein weiterer Mercedes-Bus vor. Der Fahrer
steigt aus und hält uns einen anderen Zeitplan unter die
Nase. Aus dem geht hervor, dass er die "Josie White Revival
Band" bereits um 11 Uhr abholen sollte, sich leider ein bißchen
verspätet hat und sich vielmals entschuldigt. Zum Glück
kann er ein wenig Englisch, so dass ich ihm erklären kann,
was ich vermute. Dass er nämlich zum anderen Haus hätte
fahren müssen, um dort den Rest der Gruppe abzuholen und
dass wir hier ohnehin nur vier Musiker seien. Zwei Mercedes-Busse
mit jeweils 8 Plätzen für 4 Musiker ! Wir sind ausgesprochen
amüsiert. Der Fahrer begreift allmählich das Dilemma
und erklärt seinem Kollegen den Sachverhalt. Wir beschließen,
daß ich mit dem englisch-sprechenden Fahrer zum anderen
Haus fahre, und dass der andere Fahrer im Anschluss an das Frühstück
mit Tina, Leo und Mo nachkommen soll.
Ich packe meine Instrumente und wir fahren los. Kurz darauf erreichen
wir das Appartment-Haus, wo wir feststellen, dass hier gerade
das Frühstück vorbereitet wird. Es ist kurz vor zwölf
Uhr Mittags und wir beschließen, dass wir uns frühestens
um zwei Uhr ins Restaurant fahren lassen wollen. Wir sagen den
beiden Fahrern, die unschlüssig in der Einfahrt warten, dass
sie uns bitte in zwei Stunden abholen möchten. Die Beiden
fahren los und wir ruhen uns nach dieser allgemeinen Aufregung
erst mal ein bißchen aus. "Von wegen sofort und jetzt",
feixt Mo, und Thomas ergänzt lapidar: "But Later !"
Alle lachen.
Gegen zwei Uhr kommen die beiden Mercedes-Busse pünktlich vorgefahren, und wir steigen ein. Man bringt uns in ein klimatisiertes Restaurant, wo bereits die Musiker und Musikerinnen der beiden afrikanischen Bands essen, die am Abend nach uns spielen sollen. Wir machen uns miteinander bekannt und bestellen das Menu. Der Wein ist gut, das Essen ist nicht versalzen und das Gefühl, dass wir es uns so richtig gut gehen lassen, breitet sich wie ein warmer Teppich in unserem Gemütern aus.
Um halb vier fahren wir nach "Praia Formosa", dem Strand in einer wunderschönen Bucht, wo schon emsige Festival-Vorbereitungen im Gange sind. Wir bringen unsere Instrumente in den Backstage-Raum, wo sie sicher sind und gehen hinaus auf die Festivalwiese, wo die Gruppe aus Angola in wenigen Minuten mit dem Soundcheck beginnen wird. Der PA-Chef erkärt uns, dass unser Soundcheck gegen halb sechs sein soll (or later) und möchte wissen, wo wir auf der Bühne stehen bzw. sitzen wollen. Wir skizzieren ihm die Aufstellung der Musiker auf einem Zettel und verabschieden uns für die nächsten zwei Stunden in Richtung Atlantikwellen.
Es ist viel junges Volk versammelt, dass große Zeltdörfer errichtet hat, und eine Atmosphäre verbreitet, die an eine Mischung aus Breminale und Woodstock erinnert. Wir entspannen am Strand, baden in den durchaus respektablen Wellen und schlendern je nach Laune die Uferpromenade entlang. Immer mehr Leute kommen an, ein Auto nach dem anderen quält sich die engen Serpentinen zur Bucht hinunter. Uli und Fabian sind auf Motivsuche und machen "Atmobilder".
Kurz vor sechs können wir auf die Bühne. Wir suchen uns unseren Platz, verkabeln die Instrumente, richten die Mikrofone ein und besprechen den Ablauf mit dem Soundtechniker. Ich gehe mit zum Mischpult, um den Klang der einzelnen Instrumente zu hören und zu korrigieren und stelle schon nach wenigen Minuten fest, dass die Jungs ihre Arbeit ganz gut verstehen. Wir verabreden, dass sie eine Grundeinstellung für sämtliche Kanäle festlegen und nur geringfügige Korrekturen während des Konzerts vornehmen, weil wir nämlich selbst für die jeweilige Dynamik sorgen wollen.
Uli und Fabian filmen gerade das Interview
mit Max Brix Elisabeth und ich nehme die kleine DV-Kamera, um
im MTV-Style kurze Statements der Musiker zum Grad ihrer Aufgeregtheit
einzufangen. Danach spielen wir drei Stücke an, damit der
Gruppensound abgemischt werden kann, und über die Monitorboxen
hört sich der Sound ziemlich gut an. Ich bin beruhigt, weil
ich mir doch große Sorgen gemacht hatte, ob die Soundtechniker
mit so vielen akustischen Instrumenten, Flöten und Trommeln
überhaupt klar kommen. Vor allem der heftige ablandige Wind
macht uns zu schaffen und Thomas befürchtet, dass er keinen
vernünftigen Ton aus seiner Lowwhistle heraus bekommt.
Wir spielen gerade "Inisheer", als das "Woodstock-für-Arme-Festival"
seinem Namen alle Ehre macht. Es beginnt aus Eimern zu gießen.
So schnell wir können, verstauen wir unsere Instrumente wieder
in den Cases und die Tontechniker und Helfen decken alles mit
riesigen Plastikplanen ab. "Na, das kann ja heiter werden",
denke ich, und in der Tat klart es nach einer heftigen halben
Stunde wieder auf. Über der Bucht hat sich ein wunderschöner
Regenbogen gebildet, der aus der Festivalwiese heraus bis ins
Meer reicht. Ich blicke in den Himmel und zwinkere dem alten Josie
zu, der da oben an der Seite vom lieben Gott auf einem Ehrensessel
sitzt und Festival-Regie führt. "Gut gemacht, alter
Fiddler" sage ich, "jetzt kann ja nichts mehr schief
gehen !". Der Wind hat sich gelegt. Der Himmel zeigt ein
klares Blau und die Regenwolken verschwinden allmählich am
Horizont.
Kurz darauf sind die beiden Mercedes-Busse
wieder da, und wir werden zurück nach Vila do Porto gefahren,
wo wir in einem Restaurant zu Abend essen sollen.
Als wir das Restaurant erreichen, weiß der Wirt von nichts
und zeigt auf einige Musiker, die bereits an einem langen Tisch
sitzen und auf das Essen warten. Wir begrüßen uns und
stellen fest, dass es sich dabei um die Musiker der "James
Montgomery Band" handelt, die der Wirt fälschlicherweise
für die "Josie White Revival Band" gehalten hat.
Blueslegende James Cotton, der unter anderem mit B.B. King zusammen
gespielt hat, ist auch dabei und krächzt uns ein freundliches
"high boys" entgegen. Der uralte farbige Mann hat kaum
noch Stimme, eher ein Reibeisen. Wir stehen eine Zeitlang unschlüssig
herum. Kopfschüttelndes, langezogenes "uhahoh"
wabert mehrfach durch den Raum. Wieder eine dieser wunderbar chaotischen
Verwechslungen ! Jürgen telefoniert per handy mit Rui Batista
und versucht ihm die Situation zu erklären. Rui entschuldigt
sich mehrfach und empfiehlt uns, in dem Restaurant zu essen, wo
wir auch schon zu Mittag gespeist haben. Wir setzen uns in Bewegung
und sitzen um 21.30 Uhr an den Tischen. Um 23 Uhr soll unser Konzert
beginnen.
22:45 Uhr: Unruhige, zappelnde, erwartungsfreudige
Musiker der "Josie White Revival Band" stehen im Backstage-Raum
herum und warten darauf, dass es endlich losgeht. Draußen
auf der Wiese haben sich bereits an die tausend junge Besucher
versammelt, die dem Beginn des Festivals entgegenfiebern. Uli
und Fabian filmen noch ein paar kurze Statments über die
jeweilige Befindlichkeit. In mir ist eine unbändige Freude
und nur ein ganz kleines Lampenfieber. "Und das ist gut so",
konstatiere ich in Richtung Kamera, "das sorgt für die
nötige Power!".
Endlich geht es gut. Einer der Organisatoren kündigt uns
an und wir werden mit freundlichem Applaus empfangen.
Wir nehmen unsere Posititionen ein, stimmen die Instrumente noch
mal kurz durch, und los geht's mit "Fiad an Nilla" einem
eher meditativen March, der von Tina, Leo und Mo gespielt wird.
Bernd eröffnet den "Blarney Pilgrim Jig" mit knackigen
Bluesrhythmus und wir beschließen das erste Medley mit einem
furios gespielten "Morrisson's Jig". Die Leute sind
hellauf begeistert. Brausender Applaus schallt uns von mittlerweile
annähernd zweitausend Zuhörern entgegen, die sich während
des ersten Stücks eingefunden haben.
Danach läuft alles wie von selbst. "The Moving-On-Song",
"Greensleeves", "Ordinary Man" kommen wunderbar
und nur bei "Song to carry me away" patzen wir nacheinander
und der Rhythmus schleppt sich so dahin. Doch als wäre das
die sogenannte "kalte Dusche" gewesen (die Leute klatschten
trotzdem !), geht es danach so richtig "ab". Unsere
Standard-Reels "Cooley's Reel & The wind that shakes
the Barley" grooven ungemein, der "Monaghan Jig",
von
Thomas mit einem die Nackenhaare sträubenden
"Parting of Friends"-Intro eröffnet, ist geradezu
magisch. Nach Tina's "Caribean Set", bei das sie auf
ihrem Button-Akkordeon zelebriert, toben die Massen.
Mo arbeitet meisterlich auf dem Bass und ersetzt gleich noch den
Schlagzeuger, Bernd und ich hüpfen auf der Bühne herum
wie zwei Tanzbären und Jürgen sorgt mit Marie gemeinsam
für den vollen Sound des Oktetts.
Bei "Ballad of St.Anne's Reel" begrüßen wir
schließlich den Lokalmatador Johannes Resseguier, genannt
"Joao", und das Publikum beginnt, Ringelreihn
und Polonese zu tanzen.
"Inisheer" kommt wie eine Atlantikbrise und die jungen
Leute winken dazu mit ihren Armen und Feuerzeugen durch die warme
Abendluft.
Mit einer improviserten "Funky-Version" von "Dirty
Old Town", bei der Mo den Bass-Tapper herausholt, steigert
sich die Stimmung in Richtung Höhepunkt.
Als wir danch Roberto und Sergio von "Ronda di Madrugada"
auf die Bühne holen, um mit ihnen gemeinsam "Ilheu",
die Hymne von Santa Maria zu singen und zu spielen, ist das Publikum
nicht mehr zu halten. Wir umarmen uns und wissen, das wir "harvest
home" gebracht haben.
Beim letzten Stück kommt schließlich Erneste, der
Schlagzeuger der Eneida-Morta-Band, einer Gruppe aus Guinea-Bissao,
dazu und wir spielen ein keltisch-afrikanisches Polka-Medley,
das von Ernestes furiosem Djembe-Trommeln vorangetrieben wird.
Als wir nach etwa anderthalb Stunden unser Konzert beenden, gibt
es minutenlangen Applaus. Max, Rui und die anderen Organisatoren
sind total begeistert und drängen uns nochmal zurück
auf die Bühne.
Und dann stehe ich da mit meiner Mandoline und beginne mit der
Ballade, die ich eigens für das Festival geschrieben habe:
"Santa Maria". Bernd, Roberto, Jürgen, Mo und Thomas
stimmen mit ein, und schließlich singen viele aus dem Publikum
mit, vor allem wenn es im Refrain "... linda ilha dos Acores"
heißt.
Nach dem Konzert sind wir wie in einem Rausch. James Montgomery, der die zweite Hälfte des Konzerts gehört hat, hält seinen Daumen hoch und meint: "You guys did a real great job, thank you guys for the wonderful music !" Wir verteilen noch einige CDs und ich entschließe mich, als die Band von Erneste, dem Djembe-Trommler loslegt, ein nächtliches Bad im Atlantik zu nehmen. Umrauscht von den heranrollenden Wellen, lasse ich mir die afrikanisch-portugiesischen Rhythmen durchs Blut strömen, dusche mich danach kalt ab und tauche abermals erneut ein, dieses Mal in das Bad der tanzenden und singenden Menge.
Wir tanzen die ganze Nacht bis in den frühen Morgen. Der Bus bringt uns zurück zum Appartment-Haus. Mo macht es sich auf dem Geländer vor dem Appartmenthaus "gemütlich", und Thomas will mit seinem mitgebrachten Teleskop noch unbedingt den Jupiter am Sternenhimmel beobachten. Im allmählich herauf ziehenden Blau des Morgens gehen wir schließlich für ein paar Stunden schlafen.
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Nach ungefähr fünf Stunden Schlaf
packen wir unsere Sachen und lassen uns von Gualter zum Appartmenthaus
nach Vila do Porto fahren. Die anderen sind auch schon reisefertig.
Tina, Leo, Uli und Fabian müssen einen früheren Flug
nehmen. Wir anderen werden später am Nachmittag zum Flughafen
gefahren.
Wir verdösen den Nachmittag, schwelgen noch in der Erinnerung
des gestrigen großartigen Konzerts und warten auf den Mercedes-Bus,
der - man glaubt es kaum - pünktlich kommt.
Mit "Wayfaring Stranger" verabschieden
wir uns von Santa Maria, nicht ohne Wehmut. Nachdem die Propellermaschine
vom Boden abgehoben hat, versinkt unter uns Santa Maria in einem
Meer aus Wolken, die wie seidene Vorhänge vor dem tief stehenden,
gold glänzende Sonnenlicht an uns vorbei wehen. Als wir schließlich
eine knappe Viertelstunde später auf der Hauptinsel Sao Miguel
landen, weint der Himmel in Strömen.
Wir nehmen ein Taxi zu einem Vier-Sterne-Hotel, wo man uns Zimmer
reserviert hat, verbringen noch einen lustigen Abend in der Hafengegend
von Ponta Delgada und lassen uns den eisgekühlten Vinho Verde
in einem vor "Künstlerkult" überquellenden
Restaurant schmecken.
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Der Rückflug nach Frankfurt verläuft ohne Zwischenfälle. Auf der Zugfahrt von Frankfurt nach Bremen nehme ich mir einen Zettel aus der Tasche und schreibe noch eine fünfte Strophe des "Santa-Maria-Songs":
5) "When we came to the island of Santa
Maria
the weather was pleasant and warm.
We meat gentle people, who treated us friendly
and showed us the places all around.
We jammed for a week in rehersals and sessions
with the Donegal ghost on his chair.
At the night of the concert when the spirit was high,
the groove of old Josie was there.
Chorus: Now we singing this song on Santa Maria ...