Die Story:
Im Herbst 1990 arbeitete ich
neben meiner Arbeit als Filmemacher
auch als Dozent für Medienpädagogik an der Hochschule
Bremen.
Im Rahmen eines Video-Workshops höre ich eines Abends, als ich vom Essen zurück in den Veranstaltungsraum gehe, die Gitarrenklänge eines Studenten, der in einer Ecke sitzt und der, nicht mehr ganz nüchtern, auf einer geradezu lächerlichen 150-Mark-Wandergitarre Blues mit solch einem "groove" improvisiert, daß es mir nicht nur in den Fingen zuckt und ich unbedingt mitspielen will, was jedoch ohne Instrument ein bißchen schwierig ist. Was also tun?
Bernd Vogelei -
so
heißt der Student - lächelt mir aufmunternd zu, und
ich setze mich zu ihm, nehme mir eine zufällig liegengebliebene,
noch etwas fettige Pommesfrites-Tüte und beginne darauf mit
vibrierenden Lippen einen imaginären Blues zu blasen, immer
wieder unterbrochen von einem grunzenden "healer-healer-I'm
the healer"-Gebrabbel, das mir dabei aus der Tiefe meiner
Kehle kriecht, und das sich wie ein krächzender Rülpser
von John Lee Hooker's Urgroßvater anhört. Bernd grinst
breit und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.
Nun, der Abend wurde immer länger, die Nacht sehr kurz und der Schädel am nächsten Morgen ziemlich dick.
Wir verabredeten uns für die übernächste Woche an einem frühen Nachmittag und brachten bis zum Abend ungefähr 25 Stücke zusammen. Bernd hatte noch nie zuvor bewußt irische Musik gehört, geschweige denn selber gespielt und die 6/8-Jigs quälten ihn anfänglich mehr als im lieb war . Doch die Art unseres Zusammenspiels war von Anfang an so intensiv und so magisch, als hätten wir schon jahrelang miteinander Musik gemacht. Es kam mir so vor, als hätte ich mein ganzes Leben auf eben diesen EINEN gewartet.
Aus unserer Session wurde ein Duo und aus
dem Duo etwa ein halbes Jahr später ein Trio. Und das kam
so:
In meiner damaligen Film- und Video-Produktionsfirma sprach ein
junger Mann vor, der gerne als Computer-Grafiker bei uns arbeiten
wollte und der mir als eine Art Arbeitsprobe ein technisch noch
unvollkommenes, aber durchaus nett gemachtes Musikvideo vorführte.
Aus dem Stück konnte ich so viel kreatives Talent, so viel
Lust am Experimentieren und soviel Musikqualität heraussehen
und -hören, daß ich ihm eine Chance gab und ihn einstellte.
Tage später erwähnte er beim Mittagessen, daß
er auch Rock-Musik als Keyboarder mache und Sänger in einer
Vocal-Gruppe sei, die sich aber gerade aufgelöst habe. Also
fragte ich ihn spontan, ermutigt durch das Erlebnis mit Bernd,
ob er sich vorstellen könne, bei uns einzusteigen. Er fand
die Idee wunderbar und wir verabredeten uns zu einer Trio-Session.
Jürgen Schöffel
brachte mit seinem Keyboard
und seinem Background-Gesang eine besondere neue, andere Note
in die Musik ein und Klänge, die vortrefflich zu Gitarre,
Mandoline und Geige paßten oder diese ergänzten.
Wir begannen, Stücke zu arrangieren
und ein kleines Programm zusammenzubasteln, das vor allem aus
alten Nummern bestand, die ich aus meiner musikalischen 70er-Jahre-Vergangenheit
mitbrachte, als ich mit einigen Folkfreaks im Siegener und Gießener
Raum "Irish Fu(l)ck" gemacht hatte.
Nach einigen Wochen Proben und Üben waren wir endlich soweit,
daß wir uns mit der Musik in die Öffentlichkeit wagen
konnten. Das Keyboard konnte zwei Instrumente ersetzen, und der
Sound, den wir entwickelten, hatte schon damals nichts mit sämtlichen
puristischen Ansätzen folkloristischer Traditionen gemeinsam.
Augenzwinkernd, improvisationsfreudig und mit viel Spaß
überraschten wir uns gegenseitig (und auch das Publikum!!
d.Red.) mit Rock- und Blueselementen, Swingchords und plötzlichen
Rythmuswechseln, die uns oft selbst aufs falsche Bein brachten,
so daß kein Stück zweimal genau in derselben Art und
Weise gespielt wurde.
1991 traten wir dann zum ersten Mal als Trio beim Kleinkunstabend im Bremer Stadtteil Gröpelingen auf. Es war ganz schön aufregend!
Das Publikum - Freunde, Bekannte und wenige eingefleischte Fans, - hatte viel Mitgefühl und half uns tatkräftig dabei, eine zuguterletzt doch recht gelungene Konzert-Premiere hinzulegen.
Im Anschluß an diesen denkwürdigen
Abend daddelten wir etwa zwei Jahre durch bremische Kneipen, traten
bei allen möglichen Anlässen auf und hatten dabei vor
allem viel, viel Spaß. Dann trafen wir bei einem irischen
Kulturabend in der Bremer Angestelltenkammer mit Tina McLoughlin zusammen,
die mit ihrem grandiosen Tinwhistle-Spiel unserer Musik zu einem
hörbaren qualitativen Sprung verhalf und unser Zusammenspiel
nachhaltig bereicherte.
Als sich Tina nach diesem etwa eineinhalbjährigen Zwischenspiel
verabschiedete, trafen wir beim ersten irischen Kulturfestival
im Bremer Medienzentrum in Walle im Januar 1995 bei einer Folk-Session
Thomas Wehner.
Thomas - vormals musikalisch bei "Irish Blend", einer
Hannoveraner Gruppe, und bei "The Texas Chainsaw Ceili Band"
aus Houston aktiv - ist Bodhránbauer, Flötist und
Geschichtenerzähler, der auf allem bläst, was Rohr ist:
Tin- und Low-Whistles, Querflöten, Didjeridoos und, wenn
er unterwegs ist, sogar auf spiralförmig zusammengesetzten,
ineinander verdrehten Abflußrohrteilen ("Reise-Didjeridoo", d.Red.).
Thomas brachte uns nicht nur die witzigsten Flötentöne
bei, er entpuppte sich auch als echter "frontman", der
mir die lästigen Ansagen abnimmt und sich daraus mittlerweile
ein Vergnügen ganz eigener Art macht. So ist zum Beispiel
bei jedem Konzert die Geschichte übers "Didjeridoo im
australischen Outback" sein eigenständiger poetischer
Solopart und fürs Publikum ein höllisches Vergnügen.
Bei unseren Kneipenkonzerten in den Jahren '95 bis '97 saß in der ersten Reihe manchmal ein stets freundlich lächelnder Musiker, von dem ich wußte, daß er ziemlich gut Bouzouki spielen kann. Er war gerade auf Mundharmonika umgestiegen, und bei einzelnen Stücken luden wir ihn zum Mitspielen ein. Irgendwann kamen wir dann in ein "ernsthaftes" Gespräch und schon war's um ihn geschehen. Ehe er sich umsah, war er Bandmitglied und von da an begannen wir, Kneipen, Hochzeitsfeiern, Geburtstage und Taufen musikalisch zu verunsichern, egal ob als Duo, als Trio, Quartett oder Quintett.
Olaf Kurze-Evers, der - wie er über sich selbst
sagt - "verarmte Harfenist", ist Möbeltischlermeister
und sein "Evesdropper"-Solo-Jig war bei unseren Konzerten
stets ein "kultisches Ereignis".
Nun, etwa 8 Jahre nach der ersten "healer-healer-session" ist es endlich soweit: unsere erste "echte" CD ist fertig geworden.
Willie Burger
September 1999